Es gibt keine Profis oder sind wir alle Profis?
Kürzlich verfolgte ich eine Diskussion (angehender) Teil-/Selbstständiger in einer Facebook-Gruppe.
Aus dem ursprünglichen Thema “Leichter Entscheidungen treffen” kristallisierte sich schnell heraus, dass für viele der Teilnehmer die schwierigste Entscheidung war, ob sie sich überhaupt auf das Abenteuer “Selbstständigkeit” einlassen sollten. Ob sie den vorhandenen, (vermeintlich sicheren) Hauptjob kündigen sollten. Ob sie das Zeug dazu hätten.
Oftmals entsteht diese Unsicherheit sich selbst gegenüber aus einer Mischung von mangelndem Selbstvertrauen und übermäßiger Idealisierung von vermeintlichen Profis.
Und vielleicht fallen auch dir ganz spontan jetzt schon Leute aus den Medien ein, zu denen du aufschaust. Von denen du sagst: “So gut möchte ich auch mal werden oder so viel möchte ich auch mal wissen.”
In diesem Artikel möchte ich dir aufzeigen, warum du dich vor diesen Profis nicht verstecken brauchst und daher auch keine Angst vor dem Schritt in die Selbstständigkeit haben solltest.
Wann ist man ein Profi?
Laut Wikipedia.de ist man ein Profi, wenn man eine Tätigkeit nicht nur aus Spaß sondern beruflich bzw. zum Erwerb des eigenen Lebensunterhalt ausübt. Wenn man sich an diese Erklärung hält, dann ist jeder der sich etwas (hinzu-)verdient ein Profi. In einer anderen Beschreibung heißt es, dass man als Profi aber auch Menschen bezeichnen kann, die in einem bestimmten Bereich mit hohem Fachwissen glänzen und denen dabei scheinbar niemand das Wasser reichen, da sie (annähernd) jeden Fall positiv lösen können.
Schauen wir in den tierischen Bereich ist es zum Beispiel der international bekannte Hundetrainer, der eine eigene TV-Sendung hat und bereits viele Bücher geschrieben und eine große Fangemeinde angesammelt hat. Oder die Katzenpsychologin, die scheinbar auch den wildesten Wohnzimmertiger zu einem Schmusekätzchen ‘umpolen’ kann. Wahlweise haben wir in der Pferdesparte dann auch ein paar Menschen, die scheinbar außergewöhnliche Erfolge bei der Erziehung der ‘Unerziehbaren’ erzielen. Es gibt noch weitere, aber ich beende die Aufzählung an dieser Stelle einmal, jeder wird für sich selbst wissen, wen er da im Hinterkopf hat. Ich möchte niemanden dieser Personen Ihre Qualifikation absprechen. Vielmehr möchte ich dir in diesem Artikel zeigen, dass es keinen Grund gibt, warum du dich und deine Arbeit vor den Profis und verstecken musst. Denn auch du bist ein Profi! Dafür musst du dir eine Tatsache erst einmal vor Augen führen:
Profis sind auch keine Götter.
Der Punkt mag in der Überschrift komisch wirken. Passt aber genau. Die so genannten oder von dir als solche angesehen Profis sind auch keine Götter. Sie müssen genau wie du Essen und Trinken und Schlafen. Sie sind auch nicht allwissend, auch wenn dir und den anderen Zuschauern das vielleicht von den Medien suggeriert werden soll. Und auch diese Profis können wissen längst nicht alles auf ihrem Fachgebiet. Nicht überzeugt? Okay, ein simples Beispiel. Tagtäglich werden bei Ausgrabungen neue archäologische Entdeckungen gemacht über ein Zeitalter, dass doch längst abgeschlossen ist.
Es ist also äußerst unwahrscheinlich, dass unser heutiger Wissensstand zur Gegenwart als allumfassend angesehen werden kann. Sonst würde niemand ja auch niemand mehr Verhaltensforschung bei Hunden und anderen Tieren betreiben. Und auch hier gibt es immer wieder neue Erkenntnisse. Die kann also auch der Profi noch nicht wissen und (bewusst) anwenden. Also muss auch er sich stetig fortbilden. Hinzu kommt noch, dass es immer mehrere Wege gibt, ein Ziel zu erreichen. Stell dir einmal vor, ein Arzt würde nur das Wissen und die Methoden anwenden, die er während seines Studiums gelernt hat oder die bereits in Büchern vorgegeben sind. Das klappt ganz wunderbar… bis er einen Fall hat, bei dem er damit nicht weiterkommt. Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder der Arzt kommuniziert, dass alle Möglichkeiten für den Patienten ausgeschöpft sind und eine Heilung nicht zur Debatte steht. Oder aber er sagt, er habe alle ihm derzeit bekannten Dinge versucht, da diese aber nicht zur Heilung führten wird er weiter forschen und Neues ausprobieren. Welcher Arzt wäre dir sympathischer? Ich persönlich tendiere ja zu dem zweiten, auch wenn der logischerweise bei seinen neuen Forschungen und Versuchen kein Profi ist und wahrscheinlich auch einige Rückschläge kassieren wird. Dennoch wäre er für mich der Arzt der Wahl.
Ein realistischer Blick auf die Medien-Profis
Eigentlich weißt du es besser. Vielleicht hast du sogar schon das ein oder andere Mal deinen Kunden gegenüber kommuniziert, dass man deine Arbeit nicht mit der Arbeit dieser ‘Profis’ vergleichen kann. Und dennoch tust du es selbst, du vergleichst dich und stellst dich selbst schlecht dar, obwohl es dazu hoffentlich und wahrscheinlich überhaupt keine Grund gibt.
Der simpelste und offensichtlichste Unterschied sind schon einmal die vermeintlichen Zeiten. In den TV-Sendungen reichen meist 2-3 Übungseinheiten mit dem Profi und das Tier ‘funktioniert’. Betrachtest du diese Sendungen einmal mit realistischeren Augen fällt schnell auf, dass so mancher Trainer anscheinend recht schnelllebig durch die Jahreszeiten hüpft. Beim Ersttermin noch in T-Shirt, steht er beim Zweittermin mit dicker Jacke und Mütze vor der Tür des Kunden. So etwas fällt dem Zuschauer in der Regel nicht auf, denn der Sendungsfokus liegt natürlich immer mehr auf dem Tier und der Tier-Halter-Problematik. Das Gehirn des Zuschauers blendet die Kleidung des Experten also unbewusst einfach aus und so scheint es oft, als wäre in sehr kurzer Zeit sehr viel zu erreichen. Da ist die Enttäuschung und Frustration, wenn es in der Realität nicht so schnell und geradlinig klappt, geradezu vorprogrammiert. Und noch ein weiterer Aspekt erschwert eine realistische Einschätzung solcher Fälle ganz erheblich.
Gerade bei TV-Sendungen aber auch bei Büchern und anderen Medien handelt es sich in den meisten Fällen um Zusammenfassungen des Falls. Du als Konsument bekommst also längst nicht alles zu sehen. Trotzdem vergleichst du deine Fähigkeiten (unbewusst) mit denen der Profis und fühlst dich dann schlecht, weil du z.B. anders entschieden hätten, eine andere Therapieempfehlung gegeben hättest und dennoch die Methoden des gezeigten Profis zum Erfolg geführt haben. Aber kannst du dir als “einfacher Konsument” wirklich ein Bild machen über die Entscheidung bzw. die gewählte Methode – wenn du wahrscheinlich das komplette Problem gar nicht gezeigt bekommst? Vielleicht hättest du dich bei einer Beratung für ein ähnliches oder sogar das gleiche Konzept entschieden. Vielleicht hättest du aber auch einen anderen Ansatz gewählt und wer sagt, dass du damit nicht zu einem ähnlichen oder sogar einem noch besseren Ergebnis gekommen wärst?
Letztlich kannst du dich und deine Fähigkeiten also nicht “mal eben so” mit den medialen Profis vergleichen, du startest schließlich mit ganz anderen Vorraussetzungen: Einerseits wird dir nur ein kurzer Ausschnitt des Problems an die Hand gegeben und andererseits hast du auch viel weniger Zeit, darüber nachzudenken und ggf. zu recherchieren. Denn das ist auch ein Punkt, den du nicht nachvollziehen kannst bei den diversen Medienformaten: Wie viel wurde recherchiert, wie viel Zeit wurde für Zwischen- oder Telefonberatungen investiert. Das sind alles Punkte, die du meist zu deiner Arbeit mit einrechnest (und wenn du es nicht tust, ist das ein Ansatz dafür, warum es mit deiner Preisgestaltung nicht so richtig klappen will, aber das ist Thema für einen eigenen Beitrag…). In der realen Welt werden wohl die wenigsten aus deiner Branche mit so kurzen Zeiten auskommen, wie sie uns vom TV vorgegaukelt werden. Daher solltest du dich nicht mit Vergleichen dieser Art aufhalten, denn es gibt da eigentlich gar nichts zu vergleichen.
“Urteile über niemanden, in dessen Schuhen du nicht gelaufen bist.”
Wie du aus der Vergleichsfalle herauskommst
Du siehst also, eigentlich gibt es keine Profis, denn es gibt für jeden noch jede Menge dazu zu lernen und keiner hat die Weisheit mit Löffeln gegessen. Mache dir bewusst, dass jeder Mensch Fehler hat. Nicht nur du, nein, auch der tolle Hundetrainer/die Katzenpsychologin/der Pferdeflüsterer etc. im Fernsehen. Auch diese Menschen haben Fehler. Haben vielleicht in anderen Fällen einen falschen Weg eingeschlagen. Das wird aber nur selten gezeigt, um nicht das Bild zu zerstören. Sei dir dessen bewusst und rufe dir das ins Gedächtnis, wenn du mal wieder beim Anschauen einer dieser Sendungen an dir selbst zweifelst.
Da wir oft dazu neigen, uns eher an schlechte Sachen zu erinnern als an gute, kann es für dich hilfreich sein, dir ein Buch anzulegen und dort positive Ereignisse festzuhalten. Wenn du dann mal wieder im negativen Gedankenkarussell feststeckst, hol dir das Buch und lies darin.
Hier ein paar Anregungen, was in dein Buch hinein gehören kann:
– Geschichten und Fallbeschreibungen, in etwa “Wie aus dem Angstbeißer Demon mit meiner Hilfe ein ausgeglichener Hund wurde”
– Dankeskarten und positive Kundenfeedbacks
– Fotos (viele machen mittlerweile Fotos zur Dokumentation der Entwicklung eines Problemlöseprozesses – nutze auch diese)
– Erinnerungen an tolle Events (z.B. Tag der offenen Tür)
Wenn gar nichts hilft und du dich und deine Fähigkeiten weiter negativ vergleichst, hast du immer noch die Wahl, ob du dir diese Sendungen wirklich anschauen willst oder ob du den Fernseher nicht lieber auslässt. Gerade die Fernsehsendungen eignen sich nicht wirklich zur Fortbildung, du verpasst also nichts, wenn du statt dessen eine Dokumentation über das tierische Verhalten anschaust oder einen Artikel über aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse liest.
Und ganz wichtig
Du musst auch gar nicht in allen Dingen perfekt sein. Picke dir deine Steckenpferde heraus, einige wenige Angebote, die dir wirklich liegen und dir Spaß machen. Du musst weder eine Welpenstunde abhalten noch einen Voltigierkurs anbieten, nur weil andere das auch haben, oder es gerade “modern” ist. Viele Hundetrainer spezialisieren sich im Laufe der Jahre auf ein Gebiet (z.B. Jagdhundausbildung). Wenn man von einem solchen Trainer jetzt verlangen würde z.B. einen Agility-Kurs zu organisieren, wäre das sicher auch für diesen Profi eine Herausforderung, die es zu meistern gilt. Wenn du ein Steckenpferd gefunden hast, welches dir wirklich Spaß macht und dir gut von der Hand geht, wird es dir auch viel mehr Freude machen, dich in diesem Bereich weiter zu entwickeln, weiter zu bilden und neue Sachen auszuprobieren. Und wer weiß vielleicht findest du ja für ein bestimmtes Problem mal eine noch nicht bekannte Lösung und wirst zum sympathischeren der beiden Ärzte.
Wie sieht das denn bei dir aus? Vergleichst du dich mit den vermeintlichen Profis und stufst dich selbst (unbewusst) herab? Worin liegt das Gefühl begründet, dass du weniger gut bist und wie gehst du mit diesen negativen Gefühlen, die dich ausbremsen wollen, um? Hast du vielleicht noch andere Ideen, um dich aus einem negativen Gedankenkarussell herauszuholen?
Schreib es mir doch in den Kommentaren.
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